Systematik des Menschen

Die Welt des Lebendigen wäre für uns unbegreiflich, wenn wir nicht die enorme Vielfalt der Lebenwesen in ein einigermaßen übersichtliches, nach Ähnlichkeiten und Verwandtschaften geordnetes Schema gebracht hätten. Man kann beispielsweise Hauskatzen, Tiger, Löwen, Panther, Leoparden, Jaguare und andere katzenartige Tiere zur Familie der Katzen zusammenfassen, oder Hunde, Wölfe, Füchse, Schakale und Kojoten zur Familie der Hunde, usw.

Es gibt ferner gewisse eindeutige und einleuchtende Kriterien, nach denen sich Tiere und Pflanzen klassifizieren lassen; so kann man beispielsweise bei Tieren zwischen Fleischfressern und Pflanzenfressern unterscheiden; oder man kann, wenn man den Lebensraum als Kriterium nimmt, alle im Meer lebenden Tiere als Fische und alle flugfähigen Tiere als Vögel klassifizieren, wie es die Gelehrten der Antike taten. Nach diesem Beurteilungsmaßstab war allerdings der Wal ein Fisch und die Fledermaus ein Vogel. In Wirklichkeit ist es so, dass unter bestimmten grundlegenden Gesichtspunkten Wal und Fledermaus mehr miteinander gemein haben als erstere mit den Fischen und letztere mit den Vögeln. Beide legen keine Eier ab, sondern gebären lebende Junge, und die Fledermaus hat kein Gefieder wie die Vögel, sondern ist behaart. Beide werden zu den Säugetieren gezählt, d.h. zu jenen Tierarten, die lebende Junge zur Welt bringen und sie mit Muttermilch säugen.

Der Engländer John Ray (oder Wray) war im 17. Jahrhundert einer der ersten, die den Versuch machten, eine systematische Ordnung in die Welt der Organismen zu bringen. Er schuf, nach ihm logisch erscheinenden Maßstäben, ein Klassifikationsschema für alle 18.600 zu seiner Zeit bekannten Pflanzenarten, später auch für die Tierarten. Er teilte beispielsweise die blütentreibenden Pflanzen in zwei Hauptgruppen, und zwar nach dem Kriterium, ob der Samen nur ein Keimblättchen oder aber deren zwei enthielt. So schuf er für die beiden Pflanzenarten die Bezeichnungen Monokotyledonen (»Einkeimblättrige«) bzw. Dikotyledonen (»Zweikeimblättrige«). Diese Zweiteilung blieb bis in die 1990er Jahre erhalten, als man erkannte, dass die Dikotylen keine natürliche Verwandtschaftsgruppe bilden (nicht monophyletisch sind).

Der wirkliche Begründer der wissenschaftlichen biologischen Systematik oder Taxonomie (griechisch für Anordnung) war der schwedische Botaniker Carl von Linné. Sein System erwies sich als so gut durchdacht, dass es im wesentlichen bis heute Bestand hat. Das 1737 veröffentlichte Buch, in dem er das Ergebnis seiner umfassenden Klassifizierungsbemühungen niedergelegt hat, trug den Titel Systema Naturae.

Carl von Linné
Linnés Bildnis wenige Jahre vor seinem Tod. Gemalt von Alexander Roslin (1775).

Das Grundsystem bestand darin, sämtliche Tierarten in einem aus hierarchisch gegliederten Einheiten aufgebauten Ordnungssystem unterzubringen. Linné faßte die einander ähnlichen Arten zu Gattungen, die einander ähnlichen Gattungen zu Ordnungen und die einander ähnlichen Ordnungen zu Klassen zusammen. Jede Art bezeichnete er mit einem doppelten lateinischen Namen, bestehend aus dem Namen der Gattung und dem der Art selbst. Für die der Familie der Großkatzen (Pantherinae) zugehörigen Arten ergeben sich Bezeichnungen wiePanthera leo (Löwe), Panthera tigris (Tiger), Panthera pardus (Leopard) usw. In der Famile der Canidae finden sich neben dem Canis lupus (europäischer Grauwolf) auch Canis lupus familiaris (die Haushunde), Canis lupus lycaon (amerikanischer Timber-Wolf) usw.

Der französische Naturkundler Georges L. Cuvier stockte um 1800 das Gebäude des Linnéschen Systems um eine weitere Einheit auf, die er Phylum oder Stamm nannte. Als zu einem Stamm gehörig faßte er alle Klassen von Tieren zusammen, die sich durch bestimmte grundlegende Gemeinsamkeiten des Körperbaus und der biologischen Organisation auszeichnen. (Hervorgehoben und ausgearbeitet hatte diese Gemeinsamkeiten kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe.)

Zu einer Klasse zusammengefaßt werden beispielsweise Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische, weil sie alle über ein Rückgrat (sie nennt man deshalb auch Wirbeltiere oder Vertebraten) und maximal vier Extremitäten verfügen und weil in ihren Adern rotes Blut fließt, das Hämoglobin enthält.

Ein weiterer Stamm, die Gliederfüßer, umfaßt die Klassen der Insekten, Spinnen, Krebstiere und Tausendfüßler; zum Stamm der Weichtiere gehören u. a. Muscheln und Schnecken. In den 1820er Jahren war es der Schweizer Botaniker Augustin P. de Candolle, der das Linnésche System in seinem pflanzlichen Teil verbesserte und weiter ausbaute. Er legte bei der Zusammenfassung zu Gattungen, Ordnungen usw. mehr Wert auf innere Struktur- und Funktionsmerkmale als auf äußere ähnlichkeiten.

Die News der letzten 7 Tage

21.03.2023
Astrobiologie | Bionik, Biotechnologie und Biophysik
Leben auf fernen Monden
Flüssiges Wasser gehört zu den wichtigsten Bedingungen für die Entstehung von Leben, wie wir es auf der Erde kennen.
21.03.2023
Biodiversität | Ökologie
Die Fichte stirbt und andere Bäume leiden
Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2022 zeigen: Kronenverlichtungen für alle Baumarten weiterhin hoch.
21.03.2023
Genetik | Klimawandel | Physiologie | Zytologie
Modell Arabidopsis thaliana: Ein neuer Signalweg bei niedrigem Sauerstoffgehalt
Der Klimawandel führt zu einem vermehrten Auftreten von Wetterextremen: Im Fokus stehen bisher vor allem lange Dürre- und Hitzeperioden.
21.03.2023
Biodiversität | Taxonomie
Neue Arten der Riesenkrabbenspinnen beschrieben
Ein Forschungsteam aus Deutschland und aus China hat 99 neue Arten aus der Familie der Riesenkrabbenspinnen in Süd-, Ost- und Südostasien beschrieben.
20.03.2023
Biodiversität | Neobiota
Weitverbreitete Arten auf dem Vormarsch
Das menschliche Verhalten treibt den Wandel der Biodiversität und Veränderungen in der Zusammensetzung der Arten rapide voran.
09.03.2023
Biodiversität | Evolution
Zwerge und Riesen auf Inseln sterben besonders leicht aus
Inseln sind Lebensraum für viele Tierarten mit einzigartigen Eigenschaften, darunter sogenannte Zwerge, die im Vergleich zu ihren Verwandten auf dem Festland eine sehr geringe Größe erreichen, sowie Riesen, die wiederum vergleichsweise groß werden.
09.03.2023
Meeresbiologie | Mikrobiologie
Leben im Rauch der Unterwasservulkane
Die arktische Tiefsee liegt fernab der lebensspendenden Energie der Sonne, und nur winzige Mengen an organischem Material, welches Leben speist, kommen dort an.
09.03.2023
Genetik
Genom von Hydra oligactis: Die Sterbliche unter Unsterblichen
Eine Hydra aus dem Piburger See in Tirol könnte neue Erkenntnisse über diese außergewöhnlichen Tiere liefern.
09.03.2023
Genetik | Land-, Forst-, Fisch- und Viehwirtschaft
Genetisches Geheimnis der Ackerbohne gelüftet
Die Ackerbohne, Vicia faba, weist mit ihren proteinreichen Samen ein hohes Potential für die Proteinerzeugung in den ermäßigten Klimazonen Mitteleuropas auf.
08.03.2023
Klimawandel | Ökologie
Alpine Fließgewässer werden wärmer
Alpine Gewässer erwärmen sich schneller als erwartet und besonders in den Wintermonaten.
07.03.2023
Biodiversität | Ökologie
Pflanzenwurzeln: Treibstoff für tropische Bodentiergemeinschaften
Ein internationales Forschungsteam hat neue Erkenntnisse über die Bedeutung von Pflanzenwurzeln für das Leben im Boden, insbesondere in den Tropen, gewonnen.
07.03.2023
Fischkunde | Meeresbiologie | Ökologie
Die veränderte Rolle von Fischen im marinen Kohlenstoffkreislauf
Fische bilden Karbonate aus Meersalzen und scheiden sie in großen Mengen aus.
07.03.2023
Biodiversität | Meeresbiologie
Gewinner und Verlierer im UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer
Ein Team von Forschenden hat eine signifikante Abnahme in der Häufigkeit, der Biomasse und der räumlichen Verbreitung von charakteristischen Wattenmeer-Arten, wie Schnecken, Muscheln, Krebsen oder Würmern, im Ostfriesischen Wattenmeer festgestellt.
06.03.2023
Genetik | Land-, Forst-, Fisch- und Viehwirtschaft
Wiege und Weg des Weins
Züchtung und Anbau von Weinreben hat die Entstehung der europäischen Zivilisationen stark geprägt, aber woher die Rebe stammt und wie sie sich verbreitete, ist bisher umstritten.