Die für den Geruchssinn zuständige Gehirnregion ist bei Feuchtnasenaffen recht stark ausgeprägt, was zu der Annahme führt, dass sie sich eher auf ihre Nase als auf ihre Augen verlassen.

Die Schnauzen der Feuchtnasenaffen sind im allgemeinen länglich und verleihen ihnen ein hundeähnliches Aussehen, dies trifft aber auch für einige Trockennasenaffen (z.B Paviane und Drills) zu. Die Augenhöhlen der Strepsirrhini sind im Gegensatz zu den Haplorhini von einer knöchernen Struktur (eng. postorbital bar) umgeben, was ebenfalls ein eher primitives Merkmal ist. Strepsirrhini haben außerdem die Fähigkeit, Vitamin C im Körper selbst zu produzieren, ein Merkmal, das die Haplorhini (einschließlich Koboldmakis) im Verlauf ihrer Evolution verloren haben [1].


Die Feuchtnasenaffen (Strepsirrhini) - biologie-seite.de
Riesenbuschbaby (Otolemur)
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Kleinzahn-Wieselmakis (Lepilemur microdon) leben in den Regenwäldern im Osten Madagaskars.

Mit Ausnahme des Aye-aye haben alle Strepsirrhini einen sog. "Zahnkamm" . Dieser wird für die Pflege verwendet und wird von den eng zusammenliegenden Schneide- und Eckzähnen gebildet. Eine andere Anpassung aller Strepsirrhini ist die sog. "Putzkralle" auf der zweiten Zehe, die ebenfalls für die Fellpflege verwendet wird. Die große Zehe steht weit von den anderen ab und erlaubt diesen Primaten einen sicheren, schraubstock-artigen Griff für ihre Fortbewegung in den Bäumen.

Etwa 75 % der Arten sind nachtaktiv - diese verfügen über ein Tapetum lucidum (lat. „leuchtender Teppich“), eine reflektierende Schicht, die sich hinter der Netzhaut des Auges befindet. Die Schicht spiegelt das Licht, das die Netzhaut bereits passiert hat, nochmals zurück und erhöht so das Sehvermögen bei Dunkelheit. Auch einige tagaktive Arten, wie etwa die Kattas, besitzen dieses Tapetum. Viele der nachtaktiven Arten haben sehr sensible Ohren, die sie unabhängig voneinander bewegen können und ihnen gestatten, Geräusche noch besser zu erfassen.

Die Fortpflanzung der Strepsirrhini unterscheidet sich erheblich von den Haplorhini. Anstatt eines individuellen Zyklus haben Strepsirrhini eine Fortpflanzungssaison. Nach der Tragzeit kommen meist mehrere Junge zur Welt. Die Weibchen haben eine Y-förmige (bicornate) Gebärmutter und mehrere Reihen von Brustwarzen.

Die Unterordnung der Feuchtnasenaffen besteht aus sieben Familien, die in zwei Gruppen aufgeteilt werden. Die erste Gruppe ist die Infraordnung Lemuriformes (in der Regel als Lemuren bezeichnet) und besteht aus fünf Familien. Die anderen beiden Familien werden mit den Loris, Pottos und Galagos in die Infraordnung Lorisiformes gestellt.


Systematik


Die langen Mittelfinger des Aye-ayes (Fingertiere) sind eins der auffallendsten Merkmale dieser Primaten
Aye-aye (Daubentonia madagascariensis), aufgenommen im November 2008 im Nationalpark Antananarivo.

Erst 2005 wurde das Fingertier (Aye-aye) vorläufig in eine eigene Infraordnung (Chiromyiformes) gestellt. Es war unsicher, ob sich diese einzigartigen Primaten auf der evolutionären Linie der Strepsirrhini zeitlich vor oder nach den Lemuren und Loris entwickelten. Wenn die Aye-ayes eine Vorläufergruppe aller nachfolgenden Feuchtnasenaffen darstellen, dann haben sie sich in der Zeit zwischen 63 Mio. Jahren (als die Strepsirrhini aus primitiven Primaten hervorgingen) und vor 50 Mio. Jahren (als sich Lemuren und Loris abspalteten) abseits von der Strepsirrhini-Linie fortentwickelt. Wenn Chiromyiformes nur als Schwestergruppe der Lemuriformes angesehen werden, dann müssen sich die Aye-ayes nach der Abspaltung der Lemuren und Loris vor 50 Mio. Jahren entwickelt haben. 2008 gruppierte man schließlich die Familie der Aye-ayes (Daubentonia) wieder zurück in die Infraordnung Lemuriformes, da genetische Forschungen gezeigt haben, dass sie grundsätzlich zu den Lemuren gehören.

Frühere Klassifizierungsschemas unterteilten die Primaten in die Unterordnungen Prosimii (Halbaffen) und Anthropoidea (Affen und Menschenaffen). Allerdings zeigte sich, dass die als Halbaffen klassifizierten Koboldmakis (Gattung Tarsius) mehr Gemeinsamkeiten mit den fortschrittlicheren Affen haben, und so stellte man sie in die Unterordnung Anthropoidea. Daraufhin hat man die Halbaffen (Prosimii) in Feuchtnasenaffen und die Gruppe der eigentlichen Affen und Menschenaffen in Trockennasenaffen umbenannt. Andere Klassifikationen teilen die Feuchtnasenaffen direkt in vier Überfamilien auf: Daubentonioidea, Lemuroidea, Loroidea (einschließlich Katzenmakis) und Indroidea. Allerdings deuten erhebliche Beweise darauf hin, dass Katzenmakis nicht mit den Loris verwandt sind und die Indridae eine Schwestergruppe der Lemuren sind.

Die Überfamilie Adapoidea ist eine ausgestorbene polyphyletische Gruppe von Primaten, die vom Eozän bis zum Miozän lebten und eng mit den Strepsirhini verwandt waren. Eine andere ausgestorbene Familie sind die Omomyoidea, von der man annimmt, dass sie eng mit den Koboldmakis (Tarsius) verwandt waren, und daher nach der gültigen Taxonomie zu den Trockennasenaffen (Haplorhini) gehören, jedoch eine Nebengruppe letzterer darstellen.


Literatur

Mittermeier R. A, Ganzhorn J. U., Konstant W. R., Glander K., Tattersall I., Groves C. P . , Rylands A. B., Hapke A. et al. 2008. Lemur Diversity in Madagascar . International Journal of Primatology 29 (6): 1607–1656. doi: 10.1007/s10764-008-9317-y

[1] Pollock, J. I.; Mullin, R. J. (1987). "Vitamin C biosynthesis in prosimians: Evidence for the anthropoid affinity of Tarsius". American Journal of Physical Anthropology 73 (1): 65–70. DOI: 10.1002/ajpa.1330730106

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